Der ehemalige Innenminister von Gambia wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ist zufrieden.
Sabrina Beyeler Urteil Sonko
Bundesstaatsanwältin Sabrina Beyeler nach der Urteilsverkündung am Mittwoch in Bellinzona. - Keystone

Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat den früheren gambischen Innenminister Ousman Sonko wegen mehrfacher Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Die Bundesanwaltschaft ist mit dem Entscheid zufrieden.

Das Gericht hat Sonko schuldig gesprochen der mehrfachen vorsätzlichen Tötung, der mehrfachen Freiheitsberaubung und der mehrfachen Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eingestellt hat es das Verfahren in den Vergewaltigungsfällen. Das Gericht hat zudem eine Landesverweisung von zwölf Jahren angeordnet.

Weltrechtsprinzip erlaubt Verurteilung in der Schweiz

Zur Frage der Zuständigkeit der Strafkammer führte das Gericht aus, dass die Schweiz aufgrund des Weltrechtsprinzips die von Sonko als Mittäter begangenen Taten gegen die Zivilbevölkerung in Gambia verfolgen dürfe.

Die zu Beginn des Jahres 2011 in der Schweiz in Kraft getretenen Strafbestimmungen zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien anwendbar, auch wenn die ersten Taten auf das Jahr 2000 zurückgehen. Diese seien 2011 als Gemeindelikte des Schweizer Strafgesetzbuches noch nicht verjährt gewesen. Die zur Anklage gebrachten Taten fallen in den Zeitraum von 2000 bis 2016.

Mehrfache Vergewaltigungen

Bei der mehrfachen Vergewaltigung der Witwe eines von Sonko in Mittäterschaft getöteten Militärangehörigen hat die Strafkammer die Verbindung zwischen dem systematischen Angriff auf Gambias Zivilbevölkerung und den Vergewaltigungen verneint.

Sonko hatte die Frau von 2000 bis 2002 und im Januar 2005 wiederholt aufgesucht und vergewaltigt. Diese Taten erachtet das Gericht als sexuell motiviert und nicht politisch. Deshalb gebe es keine Schweizer Strafhoheit.

Die Vergewaltigung eines Folteropfers durch ein Mitglied der paramilitärischen Einheit namens Junglers hat die Strafkammer als Exzess eines Einzelnen eingestuft. Es fehle an ausreichenden Anhaltspunkten, dass Sonko die Tat angeordnet oder zumindest geduldet habe.

Sonkos Aussagen «weltfremd»

Die Strafkammer erachtet es aufgrund der Beweislage als erwiesen, dass Sonko in seinen Funktionen im Staatsapparat und zuletzt als Innenminister Teil eines abgestimmten Systems war, das Oppositionelle und Journalisten mundtot machen wollte und die Bevölkerung mit drastischen Methoden einschüchterte.

Aussagen Sonkos zu einzelnen Taten, von denen er nichts gewusst oder nicht die entsprechende Befehlsgewalt gehabt haben will, hat das Gericht als Schutzbehauptungen bezeichnet und zum Teil gar als weltfremd.

Bundesanwaltschaft zufrieden mit Urteil

Die Bundesanwaltschaft zeigte sich mit der Verurteilung zufrieden. Sie hatte eine lebenslängliche Strafe gefordert. Für die Schweizer Justiz sei das Urteil ein weiterer Meilenstein im Bereich Völkerstrafrecht, hielt Sabrina Beyeler, Staatsanwältin des Bundes, in einem schriftlichen Statement fest.

Der Entscheid zeige, dass solche Verbrechen konsequent verfolgt und bestraft würden und unterstreiche das hohe Engagement der Schweiz und der Bundesanwaltschaft in diesem Bereich. Die Bundesanwaltschaft werde das Urteil, sobald es schriftlich vorliegt, analysieren und dann über die weiteren Schritte entscheiden.

Verteidiger zieht Berufung in Erwägung

Sonkos Verteidiger Philippe Currat kritisierte nach der Urteilseröffnung einmal mehr, dass keine vollständige Übersetzung des Gesagten gemacht wurde. Lediglich das Dispositiv wurde auf Englisch übersetzt. Aus diesem Grund werde sich sein Mandant nicht zum Urteil äussern. Der Anwalt bezeichnete es als wahrscheinlich, dass sie in Berufung gehen werden. Es gelte nun, das begründete Urteil abzuwarten.

Als schockierend erachtete Currat die Bezeichnung Oppositionelle für an einem Putschversuch beteiligte Personen. In jedem Land würden solche Personen verfolgt, weil es um eine strafbare Handlung gehe.

«Starkes Signal an hochrangige Täter»

Die Nichtregierungsorganisation Trial International sprach am Mittwoch von einem historischen Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit.

Das Urteil bringe nicht nur den Opfern Gerechtigkeit. Es sende auch ein starkes Signal an hochrangige Täter auf der ganzen Welt – einschliesslich Minister -, führte Philip Grant, der Direktor von Trial International, in einer Medienmitteilung aus. Die Organisation war federführend bei der Aufgleisung des Verfahrens in der Schweiz. (Urteil SK 2023.23 vom 15.5.2024)

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

BundesanwaltschaftVergewaltigungGerichtStrafeHaft